Teil 3: Das Burghardt-Gymnasium Buchen vom Ersten Weltkrieg bis zur Weltwirtschaftskrise
Das Burghardt-Gymnasium feierte 2020 sein 175-jähriges Jubiläum. Die Meilensteine der Schulgeschichte werden in einer Artikelserie beleuchtet. Der dritte Artikel erzählt von der Geschichte der Schule in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren. Das erste Abitur dreier Schüler im März 1927 stellt einen Höhepunkt der Schulgeschichte dar, die Weltwirtschaftskrise ab 1929 wiederum bedrohte die Existenz der Schule.
Das Progymnasium Buchen und die „Einjährigen“
Die Buchener Bürgerschule hatte seit ihrer Gründung mehrere Krisen zu überstehen gehabt: Doch in der Krise hatten sich die Bürger und die Gremien der Stadt Buchen immer wieder zu ihrer Schule bekannt. Als Großherzogliches Progymnasium erlebte die Schule im beginnenden 20. Jahrhundert eine Phase der Stabilität. Die Schüler- und Lehrerzahlen blieben weitgehend konstant. Im Jahr 1912/13 arbeitete mit der Schulamtspraktikantin Lina Mangler, der zweiten Schülerin der Bürgerschule im Jahr 1898/99, sogar die erste weibliche Lehrkraft an der Schule. Seit 1907 konnten die Schüler nach der 10. Klasse das „Einjährige“, quasi das Pendant zur heutigen „Mittleren Reife“, machen, wie es der Jahresbericht vermerkt: „Durch Entschließung des Reichsamtes des Inneren vom 16. Juli 1907 wurde der Anstalt das Recht zuerteilt, denjenigen Schülern, die unter Befreiung vom englischen Unterricht an dem eingeführten Ersatzunterricht im Griechischen regelmäßig teilnehmen, das Befähigungszeugnis zum einjährig-freiwilligen Militärdienst auszustellen.“ Die angespannte politische Situation im Vorfeld des Ersten Weltkrieges und die Suche nach Einjährig-Freiwilligen mögen hier ein Treiber der schulorganisatorischen Entscheidungen gewesen sein.
Schule im Ersten Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg stürzte Europa ins Chaos. Die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ blieb auch für die Buchener Schule nicht ohne Folgen: Der Turnraum im Steinernen Bau diente zunächst zur Aufnahme von Verwundeten und später von Gefangenen. Mehrere Lehrkräfte wurden an die Front einberufen, der Unterricht wurde eingeschränkt. Turnen, Zeichnen und Singen fanden nicht mehr statt, auch die anderen Fächer wurden in geringerem Umgang unterrichtet. Von 165 angesetzten Pflichtstunden konnten im dritten Kriegsjahr nur 125 gehalten werden.
Auf dem Weg zum ersten Abitur
Die Gründung der Weimarer Republik im Jahr 1918 bedeutete das Ende der Monarchie und der rechtlich-politischen Vorrangstellung des Adels in Deutschland. Die Buchener Schule firmierte fortan nicht mehr unter dem Beiwort „Großherzoglich“, sie hieß nun „Badisches Realprogymnasium Buchen“. Die Schülerzahlen stiegen nach dem Krieg rapide; der Wert von Bildung, den die Buchener im Ringen um ihre Schule immer wieder hervorgehoben hatten, war durch die historischen Umwälzungen sinnfällig geworden. Der Gemeinderat kämpfte um den Ausbau der Schule zur Vollanstalt: Es solle „einem ganzen Landesteil, der ohnehin schwer unter seiner abgelegenen Lage leidet“, nicht „die Möglichkeit genommen werden, dass seine Söhne künftig einen gelehrten Beruf ergreifen und insbesondere auch Höhere Beamte werden können“. Die Erklärung des Gemeinderats, alle anfallenden Kosten für das Lehrpersonal und die Räume zu übernehmen, zeitigte Wirkung: Am 16. April 1925 erhielt die Schule die angestrebte Genehmigung; als Vollanstalt erhielt sie eine gymnasiale Abteilung. Am 24. März 1927 war es so weit: Drei Schüler absolvierten die mündliche Abschlussprüfung. Die Buchener Schule hatte ihre ersten Abiturienten!
Die Weltwirtschaftskrise: Buchener-Walldürner Zusammenarbeit
Die Ausweitung zum Gymnasium markiert fraglos einen Höhepunkt der Schulgeschichte. Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 brachte indes abermals existenzbedrohende Herausforderungen mit sich. Erst die Zusammenarbeit zwischen Buchen und Walldürn, die Vereinigung des Buchener Realgymnasiums mit der Walldürner Realschule, entlastete die finanziell schwer bedrängten Städte: Die drei untersten Klassen (5-7) wurden fortan in Walldürn geführt, die Mittel- und Oberstufe dagegen in Buchen, der gymnasiale Zweig musste gestrichen werden.
Zeitungsartikel eines Bucheners, der zum Kampf gegen die Schulvereinigung aufruft
Die schulorganisatorischen Umwälzungen erregte zwar die Gemüter, von einem „Schulstreit“ war zeitweise gar die Rede, tatsächlich ebnete die Bündelung der Ressourcen aber den Weg aus der Krise. Die Schulgemeinschaft bestand bis in die 1930er-Jahre hinein: 1936 beschloss das badische Kultusministerium, die Aufbau-Oberrealschule aus Tauberbischofsheim nach Buchen zu verlegen und mit dem wieder vervollständigen Realgymnasium zu vereinigen.
Krisenbewältigung durch Überzeugung und Beharrlichkeit
Die Wiederzusammenlegung der Schulabteilungen in Buchen entsprach den Wünschen des Buchener Gemeinderats und seines Bürgermeisters Ullmer. Dieser hatte in einem Schreiben gefordert, dass „unserem ländlichen Bezirke zum Wohle des Volksganzen die Höhere Schule erhalten“ bleiben müsse, da diese „dem Bauerntum den Aufstieg in die geistigen Berufe ermöglicht“. Die Überzeugung und Beharrlichkeit, mit der die Buchener Bürger und die politisch Verantwortlichen immer wieder für ihre Schule eintraten, und die Bereitschaft, in politisch bedingten Krisensituationen die Ressourcen zu bündeln und kompromissbereit zu sein, waren die Erfolgs- und Existenzfaktoren, die Stützpfeiler der Buchener Schule seit ihrer Gründung. Indes, neue Krisen sollten nicht lange auf sich warten lassen: Auf staatlicher Ebene bedeutete die Weltwirtschaftskrise den Anfang vom Ende der Weimarer Republik – und schaffte zugleich die Kulisse für die Verheißungen Adolf Hitlers, der Deutschland ab 1933 in eine Diktatur stürzte.
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